Batterie-Paukenschlag von Mercedes: Das müssen Sie wissen
Vielleicht haben Sie es auch mitbekommen: Vor etwa zwei Wochen ist es in der Autobranche zu einem Paukenschlag gekommen. Im Mittelpunkt steht das Joint-Venture ACC. Zur Einordnung für Sie: 2020 hatten die französischen Konzerne TotalEnergies und Stellantis (damals noch PSA Group) die Gemeinschaftsfirma gegründet. 2021 schloss sich dann Mercedes-Benz (damals noch Daimler) dem Projekt an.
Mit ACC (Automotive Cells Company) wollten die Unternehmen einen neuen europäischen Batterie-Champion schmieden, der durch Milliardeninvestitionen bis Ende der 20er Jahre eine Kapazität von mindestens 120 Gigawattstunden (GWh) erreichen und Batteriezellen im großen Stil an Mercedes und die Stellantis-Marken liefern sollte. Konkret hatte ACC zunächst drei Batteriefabriken für insgesamt sieben Milliarden Euro auf dem Schirm.
ACC: Mercedes, Stellantis und Total legen Batteriepläne vorerst auf Eis
Und tatsächlich: Bereits im letzten Jahr haben die Partner im französischen Douvrin die erste Gigafactory eingeweiht, die später auf eine Kapazität von 40 GWh kommen soll. Doch dieser Meilenstein dürfte für ACC für einige Zeit der letzte gewesen sein. Denn: Wie Bloomberg kürzlich berichtete, drücken die Partner bei dem Joint-Venture nun auf die Bremse. Demnach legen Mercedes, Stellantis und Total die Arbeiten an zwei Batteriefabriken für Elektroautos auf Eis.
Betroffen sind die geplanten Werke in Kaiserslautern und Termoli (Italien). ACC spricht in dem Zusammenhang von einer „Pause“. Der Grund jedenfalls ist offensichtlich: Die Nachfrage nach Elektroautos entwickelt sich wesentlich schleppender als ursprünglich erwartet – unter anderem in Deutschland.
Elektro-Flaute: Absatz in Deutschland und Europa enttäuschend
Im Bild sehen Sie Entwicklung der PKW-Neuzulassungen hierzulande nach Antriebsarten:
Quelle: ADAC, KBA (https://www.adac.de/news/neuzulassungen-kba/)
Im Mai lag der Anteil der reinen Elektroautos (BEV) an den PKW-Neuzulassungen laut den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts bei nur noch 12,6 %. Zum Vergleich: Im Vorjahresmonat waren die Stromer noch auf 17,3 % gekommen. Die Experten machen für den Rückgang vor allem die weggefallene Kaufprämie in Deutschland verantwortlich. Auf europäischer Ebene indes sind die Absatzzahlen der Elektroautos im ersten Quartal 2024 zwar gestiegen – allerdings nur sehr marginal im Vergleich zu früheren Wachstumswerten.
Die Elektromobilität scheint aktuell also zu lahmen. Da wundert es kaum, dass Mercedes-Boss Ola Källenius von der einst öffentlichkeitswirksam postulierten „Electric only“-Strategie wieder Abstand nimmt. Auf der Hauptversammlung im Mai betonte der Manager, dass der Verbrennungsmotor gleichberechtigt neben dem E-Auto stehe. Die Transformation könnte länger dauern als gedacht, gab Källenius gegenüber den Investoren zu. Tatsächlich sollten bei Mercedes im letzten Jahr ursprünglich 20 % der Verkäufe auf reine Elektro-PKW entfallen. Geschafft haben die Stuttgarter aber nur knapp 12 %. Und auch das ambitionierte Ziel, bis 2030 bis zu 100 % Elektroautoabsatz zu erreichen, dampfte Källenius längst um die Hälfte ein.
Wie geht es mit den Batteriefabriken weiter?
Dass nun auch die Batterie-Offensive ins Straucheln gerät, kommt also nicht von ungefähr. Die Kunden in Europa seien noch nicht in hohem Maße dazu bereit, auf ein neues Elektroauto umzusteigen, konstatierte ACC-Generalsekretär Matthieu Hubert laut einem Bericht der „Rheinpfalz“. Zudem gebe es Herausforderungen in Sachen Infrastruktur und Materialpreise. Und nicht zuletzt spiele die Art der Batteriezell-Technologie nach wie vor eine entscheidende Rolle.
Laut Insidern prüfen die Partner in Kaiserslautern derzeit die Produktion von billigeren Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP), die vor allem bezüglich kleinerer Elektroautos als vorteilhaft gelten. Ganz abgeschrieben sind die geplanten Batteriefabriken von ACC also nicht, auch weil z.B. in Kaiserslautern längst hohe staatliche Subventionen freigemacht wurden. Wie es mit den Standorten weitergehen wird, dürfte sich spätestens nächstes Jahr entscheiden.
ACC ist freilich nur ein Beispiel für das nachlassende Batterie-Tempo. Auch Volkswagen hatte kürzlich angekündigt, dass es wohl länger dauern werde, bis die vollen Kapazitäten seiner europäischen Batteriefabriken erreicht werden.
Batterie-Überschuss befürchtet: Und was ist mit dem Lithiumpreis?
Ob sich dadurch eine umfangreiche Marktschwemme verhindern lässt, ist jedoch fraglich. Nach aktuellen Schätzungen von BloombergNEF werden durch die vielen neuen Batteriefabriken rund um den Globus bis Ende 2025 die Kapazitäten fünfmal größer sein als der eigentliche Bedarf. Das perspektivisch extrem hohe Überangebot ist demnach in China am stärksten ausgeprägt. Dort könnte die Produktionskapazität die Batterienachfrage für den Rest des Jahrzehnts um mindestens 400 % übersteigen, so BloombergNEF. In Europa könnte die Überangebotsquote bis 2030 bei 131 % und in den USA bei 72 % liegen.
Die Folge: Der Überschuss könnte dazu führen, dass die Batterien perspektivisch deutlich günstiger werden, da die Anbieter diese rabattieren müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Dadurch würden im Optimalfall auch die Preise für Elektroautos sinken, was wiederum die Nachfrage der Endkunden beflügeln könnte. Das Überangebot der Batterien könnte die Elektromobilität also letztendlich unterstützen, auch wenn der nachhaltige Durchbruch sicherlich noch einige Jahre in der Zukunft liegt.
Das macht indes auch Hoffnung für die klassischen Batterierohstoffe. So war der Lithiumpreis nach der Rekord-Rallye 2022 deutlich gefallen, auch weil der Markt viel zu heiß gelaufen war und die tatsächliche Nachfrage dem nicht entsprechen konnte. Zwar dürften die Lithiumpreise meiner Meinung nach das extrem hohe Rekordniveau aus 2022 vorerst nicht mehr erreichen. Der Rohstoff aber hat durchaus das Potenzial auf vergleichsweise niedrigerem Niveau wieder werthaltiger zu werden, was Lithium-Aktien wie Albemarle unterstützen dürfte.