Nio im Krisenmodus: Warum jetzt starke Nerven gefragt sind!
Die Nachrichtenlage war für den jungen chinesischen E-Autobauer Nio zuletzt nicht gerade rosig. So wurden die Exporte des US-Chipkonzerns Nvidia nach China kürzlich mit Einschränkungen belegt. Das ist besonders bitter, da Nio die Chips von Nvidia eigentlich nutzen will, um eine Infrastruktur für Rechenzentren aufzubauen, die wiederum dem Durchbruch des autonomen Fahrens dienen soll.
Zudem hatte die chinesische Regierung erst kürzlich erneut teils scharfe Corona-Lockdowns verhängt, was die dortige Konjunktur abermals in Mitleidenschaft ziehen dürfte.
Q2-Zahlen: Nio weitet Nettoverlust massiv aus
Vor wenigen Tagen hat Nio nun die Chance gehabt, seinen Kritikern endlich den Wind aus den Segeln zu nehmen – nämlich mit der Vorlage der neuen Q2-Zahlen. Wirklich gelungen ist das dem Unternehmen aber nicht.
Schauen Sie: Nach eigenen Angaben hat Nio im zweiten Jahresviertel einen Nettoverlust von umgerechnet 410 Millionen Dollar eingefahren. Der Fehlbetrag war somit in etwa 50 Prozent höher als noch im ersten Quartal. Nio begründete den satten Verlust vor allem mit höheren Produktionskosten, die man nicht vollständig an die Kunden weitergeben konnte. Zudem drückten die hohen Investitionen etwa in den Bereichen Service und Ladeinfrastruktur (Batterietausch-Stationen) auf die Profitabilität.
Beim Umsatz zeigte sich hingegen ein deutlich anderes Bild. So steigerte Nio in Q2 seine Erlöse gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17,5 Prozent auf 1,54 Milliarden Dollar. Und auch beim Absatz legten die Chinesen ordentlich zu. Hier erzielte man ein Plus von 14 Prozent auf rund 25.000 verkaufte Fahrzeuge.
Chinesen schüren Hoffnung
Nio gab sich im Rahmen der Quartalspräsentation sichtlich alle Mühe, möglichst viel Optimismus zu streuen. So habe man in Q2 einen höheren Umsatz erzielt, als der Markt erwartet hatte. Zudem wolle man im dritten Quartal die Verkäufe auf 31.000 bis 33.000 Exemplare erhöhen und einen Umsatz zwischen 1,9 und 2,0 Milliarden Dollar erzielen.
Nio hofft vor allem auf die neue Elektro-Limousine „ET7“. Der Stromer soll eine Reichweite von 1.000 Kilometern bieten, autonom fahren können und gleichzeitig relativ erschwinglich sein. Mit dem Modell will man nicht nur in China groß durchstarten, sondern auch die geplante Expansion nach Europa und Deutschland stemmen. Dazu aber gleich mehr.
Das Problem mit dem Profit
Zunächst noch ein paar Worte zum Nettoverlust: Dieser fiel nämlich deutlich höher aus, als Analysten im Konsens erwartet hatten. Natürlich hatten die Experten damit gerechnet, dass eine wachstums- und investitionsstarke Firma wie Nio gerade in diesen kostenintensiven Zeiten nicht die Gewinnschwelle durchbrechen kann. Dass man aber so stark unter den makroökonomischen Störfaktoren leiden würde, hatten die Analysten kaum auf dem Schirm.
Und jetzt könnten die erneuten Corona-Lockdowns und die dadurch bedingten Lieferkettenprobleme sowie das Chip-Dilemma in Sachen Nvidia die Produktionskosten für Nio noch weiter in die Höhe treiben. Eben diese Angst drückt aktuell auf die Aktie, die in den letzten Monaten ohnehin bereits massiv abgewertet hat.
Expansionspläne: eigentlich eine heiße Erfolgsstory
Wollen Sie in Nio investieren, brauchen Sie also mehr denn je starke Nerven. Lässt man die äußeren Störfaktoren beiseite, ist die Firma hingegen durchaus ein interessantes Investment. Zuletzt konnte man andere junge chinesische E-Auto-Startups wie Xpeng und Li Auto in Sachen Absatz hinter sich lassen. Die Nachfrage nach den Nio-Stromern ist in der Volksrepublik also grundsätzlich vorhanden.
Hinzu kommen die ambitionierten Pläne in Europa. Noch im Herbst will Nio zum Beispiel in Deutschland die oben erwähnte E-Limousine „ET7“ auf den Markt bringen. Mit niedrigen Preisen will das Unternehmen dann deutsche Verbraucher von der Elektromobilität überzeugen und Platzhirschen Marktanteile streitig machen.
Das Ganze dürfte natürlich abermals zulasten der Profitabilität gehen. Um das langfristige Wachstum zu ermöglichen, bleibt Nio natürlich auch kaum keine andere Wahl, als die Endkunden mit Discount-Preisen zu locken.
Wie gefährlich Nio der deutschen Autobranche werden kann, geht übrigens aus aktuellen Medienberichten hervor. Demnach hat der Premium-Hersteller Audi die Chinesen vor ihrem Markteintritt verklagt, da die Modellnamen von Nio zu stark den eigenen ähneln würden. Das Ganze zeigt, wie ernst die etablierten Branchenvertreter Newcomer wie Nio inzwischen nehmen.
Mein Fazit für Sie
Prinzipiell hat Nio das Zeug, zu einem führenden E-Autobauer Chinas aufzusteigen. Der Konzern hat in den letzten Jahren in Sachen Technologie erhebliche Fortschritte gemacht und muss sich vor den Großen der Branche nicht mehr verstecken. Die Expansionspläne runden das Potenzial sehr gut ab, auch weil man in Sachen Ladeinfrastruktur auch in Europa ein Wörtchen mitreden will.
Doch die unmittelbaren Probleme rund um die schwelenden Handelskonflikte zwischen Peking und dem Westen und die strenge Corona-Politik Chinas bremsen die eigentlich vielversprechende Erfolgsstory aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Nio-Aktie darunter weiter leiden wird.