Der Cosco-Kompromiss und seine Folgen
- Scholz drückt Deal gegen Kabinettsbedenken durch
- Vorgehen wirft schlechtes Licht auf Regierungsarbeit
- Ministerien warnen vor zu starken Abhängigkeiten
- China für deutsche Exporteure weiterhin wichtiger Absatzmarkt
- Mögliche Gesetzesverschärfung: Wird Cosco zum Präzedenzfall?
- Verfassungsschutz warnt vor chinesischen Beteiligungen
- BASF setzt weiter auf China
Diesmal ohne Verweis auf die eigene Richtlinienkompetenz, aber in der Wirkung doch vergleichbar: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Koalitionspartner brüskiert, indem er den umstrittenen Cosco-Deal am Hamburger Hafen offenbar durchgedrückt hat.
Scholz drückt Deal gegen Kabinettsbedenken durch
Die Skepsis seines eigenen Kabinetts war groß: Gleich 6 Ministerien waren im Vorfeld an der Entscheidung beteiligt. Alle 6 Ressortchefs äußerten Bedenken und sprachen sich unisono dagegen aus, dass der chinesische Staatskonzern Cosco 35 Prozent an einem Terminal des Hamburger Hafens übernimmt.
Scholz – als ehemaliger Erster Bürgermeister Hamburgs ein Kenner des Hafens und seiner Belange – stand allein auf weiter Flur, und hat sich am Ende dennoch durchgesetzt. Dabei kam ihm wohl auch der Zeitmangel zugute, denn ohne einen kompromissbasierten Einspruch bis zum Monatsende wäre der Deal ohne Auflagen automatisch zustande gekommen.
Vorgehen wirft schlechtes Licht auf Regierungsarbeit
Nun aber lautet die zentrale Bedingung: Einstieg ja, aber die Beteiligung der Chinesen darf 24,9 Prozent nicht übersteigen. Damit entfällt ein Mitspracherecht bei Managemententscheidungen, der Deal wird somit zum rein finanziellen Investment. Einflussnahme abgewendet, Milliarden gesichert – also alles gut?
Wohl kaum. Dass Olaf Scholz es zum zweiten Mal binnen weniger Wochen nicht vermag, die Reihen der Koalition hinter sich zu schließen und gegen den ausdrücklichen und öffentlich bekundeten Willen beider Koalitionspartner sein Machtwort durchdrückt, lässt die Regierung und die Führungskompetenz des Kanzlers nicht gerade in gutem Licht dastehen.
Ministerien warnen vor zu starken Abhängigkeiten
Während der Kompromiss in Sachen AKW-Laufzeit von den widerstreitenden Ministern Christian Lindner und Robert Habeck noch einigermaßen dankbar entgegengenommen und dann geräuschlos durchgewunken wurde, sorgt des Kanzlers Alleingang im Falle von Cosco für nachhaltige Irritationen.
Bedenken hatten die zuständigen Ministerien vor allem im Hinblick auf eine zunehmende Abhängigkeit Chinas geäußert. Nach den jüngsten Erfahrungen mit Russland ist die Sorge groß, dass bei etwaigen künftigen Verwerfungen mit dem Reich der Mitte der wirtschaftliche Schaden für Deutschland um ein Vielfaches größer sein dürfte.
China für deutsche Exporteure weiterhin wichtiger Absatzmarkt
Das wäre wohl so: Denn der Terminal-Deal am Hamburger Hafen ist lediglich ein kleines Glied in einer langen Kette umfassender chinesischer Beteiligungen in Deutschland und Europa. Hinzu kommen die engen handelspolitischen Verflechtungen: Etliche deutsche Großunternehmen erwirtschaften einen erheblichen Anteil ihrer Umsätze am chinesischen Markt, der als besonders wachstumsträchtig gilt, gerade im Vergleich zum Rest der Welt. Nirgendwo sonst treffen deutsche Exporteure auf eine so lukrative Mischung aus prosperierender Konjunkturentwicklung und aufstrebender Mittelschicht, die sich zunehmend mehr Konsum leisten kann.
Im Vorfeld der Kompromissfindung war Cosco zwar wohl eingebunden, eine erste Reaktion der chinesischen Seite fiel in der vergangenen Woche dennoch denkbar zurückhaltend aus. Offenbar ist man alles andere als begeistert über die Begrenzung der Einflussmöglichkeiten – und warnte die eigenen Anleger, dass der Deal unter diesen Voraussetzungen keineswegs sicher sei. Im Klartext: Cosco hat mehr oder minder öffentlich damit gedroht, die Investition platzen zu lassen, nachdem die Regierung Auflagen formuliert hatte. Das lässt tief blicken – und zwar ganz unabhängig davon, ob die Transaktion letztlich zustande kommt oder nicht.
Mögliche Gesetzesverschärfung: Wird Cosco zum Präzedenzfall?
Entsprechend deutlich kritisierte das Bundesfinanzministerium den Hafen-Kompromiss. In einem Schreiben an das Bundeskanzleramt betonte Finanzstaatssekretär Steffen Saebisch, es handele sich bei der geplanten Beteiligung „aus Sicht des BMF um ein fatales wirtschafts- und geopolitisches Signal“. Dabei verweist das Schreiben nicht zuletzt darauf, dass China einen solchen Einstieg eines deutschen Unternehmens in eigene Häfen umgekehrt nicht zulasse.
Tatsächlich könnte die Causa Cosco einen Präzedenzfall schaffen, der wohl auch stark unter dem Eindruck des derzeitigen Konflikts mit Russland steht. So sollen allzu starke wirtschaftliche Abhängigkeiten und insbesondere der Einfluss anderer Staaten auf die hiesige kritische Infrastruktur eingegrenzt werden. Konkret regt das Finanzministerium „eine Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung“ an, also eine Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen für entsprechende Beteiligungen in der Zukunft. Dieses Vorhaben wird von Kanzler Scholz offenbar unterstützt.
Verfassungsschutz warnt vor chinesischen Beteiligungen
Chinas langjährige Shoppingtour quer durch Europa setzt sich indes ungehindert fort. Bereits in dieser Woche könnte die Chipfertigung des Dortmunder Unternehmens Elmos durch den schwedischen Wettbewerber Silex übernommen werden. Silex wiederum gehört dem chinesischen Unternehmen Sai Microelectronics.
Während die Bundesregierung hier offenbar keine Gefahr sieht und voraussichtlich grünes Licht geben wird, warnt inzwischen sogar der Verfassungsschutz vor den möglichen Folgen steigender chinesischer Beteiligungen an deutschen Unternehmen. Konkret warnen die Sicherheitsbehörden vor den wachsenden Möglichkeiten der chinesischen Seite, Deutschland und andere Länder gezielt unter Druck setzen zu können.
BASF setzt weiter auf China
Zu einer ganz anderen Einschätzung kommt man unterdessen in Ludwigshafen. Dort gab der Chemiekonzern BASF in Person des Vorstandsvorsitzenden Martin Brudermüller erst vor wenigen Tagen bekannt, das eigene Chinageschäft stärken und die dortigen Investitionen ausweiten zu wollen. Man mache sich auch langfristig „keine Sorgen“ und sehe China weiterhin als wichtigen Wachstumsmarkt für die eigenen Geschäfte.
Wenig verwunderlich ist dementsprechend, dass Brudermüller der Delegation angehören wird, die Bundeskanzler Scholz bei dessen Antrittsbesuch in Peking in dieser Woche begleiten wird.