China: Der Wachstumsmotor stottert
Der Westen darbt dieser Tage angesichts des Krieges in der Ukraine und seiner wirtschaftlichen Folgen. Wirtschaftlich abwärts geht es derweil auch fernab, genauer gesagt fernöstlich des Kriegsgeschehens: In China ist die Pandemie nach wie vor sehr viel stärker präsent als in Europa oder den USA.
Peking hält an Null-Covid-Strategie fest
Das liegt vor allem daran, dass die Führung in Peking eine strikte Null-Covid-Politik verfolgt – und schon bei wenigen nachgewiesenen Infektionsfällen zu rigorosen Maßnahmen greift. Ganze Millionenmetropolen werden in teils wochenlange strenge Lockdowns geschickt, Ausgangssperren inklusive. Erst vor wenigen Tagen endete ein mehrwöchiger Lockdown in der 16-Millionen-Einwohnerstadt Chengdu, es wird jedoch weiterhin engmaschig getestet.
Während westliche Firmen vor allem im Zusammenhang mit dem Lockdown von Shanghai im Frühjahr die Auswirkungen spürten, etwa in Form von zwischenzeitlichen Produktionsausfällen oder zusätzlichem Rückstau in den Lieferketten, trifft es die chinesische Wirtschaft sehr direkt.
Außenhandel deutlich schwächer als erwartet
Immer mehr Konjunkturdaten weisen darauf hin, dass China seiner Wirtschaft keinen Gefallen tut mit seiner Null-Covid-Strategie. So schwächelte etwa der Außenhandel, der im August um lediglich 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zulegen konnte. Beobachter hatten ein zweistelliges Wachstum erwartet, nachdem die Ausfuhren noch im Juli um 18 Prozent gestiegen waren.
Chinas Importe legten minimal um 0,3 Prozent zu und verfehlten damit ebenfalls die Erwartungen der Ökonomen. Im bilateralen Handel zwischen Deutschland und China sah es dagegen deutlich besser aus: Deutsche Exporte ins Reich der Mitte verbuchten einen Anstieg um 4,9 Prozent, auf umgekehrtem Wege legten die chinesischen Exporte nach Deutschland um 9,6 Prozent zu. Die Europäische Union insgesamt exportierte 3,1 Prozent mehr Waren nach China als im Vorjahreszeitraum, die Einfuhren legten um 11,1 Prozent zu.
Geopolitische Verwerfungen im Außenhandel sichtbar
Deutlich sichtbar sind die geopolitischen Verwerfungen jedoch, wenn man den Blick auf den chinesischen Außenhandel mit Russland und den USA lenkt: Während Peking den Kreml politisch unterstützt, sieht man sich mit den Vereinigten Staaten in scharfer Konkurrenz auf allen Ebenen – vom Wirtschaftssystem bis zur politischen Ideologie.
So schrumpfte der Außenhandel zwischen China und den USA in beide Richtungen: Chinas Exporte gingen um 3,8 Prozent zurück, die umgekehrten Importe sanken um 7,4 Prozent. Ganz im Gegensatz dazu florierte der Handel zwischen China und Russland: Chinas Importe aus Russland legten um fast 60 Prozent zu, gleichzeitig exportierten chinesische Unternehmen 26,5 Prozent mehr nach Russland.
Bescheidenes Wachstumsziel schon nicht mehr zu erreichen
Für das Gesamtjahr hatte die chinesische Führung ursprünglich ein Wachstumsziel von 5,5 Prozent ausgegeben – ein für chinesische Verhältnisse ziemlich schwacher Wert. Doch selbst das ist nach Einschätzung von Beobachtern bereits nicht mehr zu schaffen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in China mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent für das laufende Jahr.
Es sind gleich mehrere innere Krisenherde, mit denen Chinas Wirtschaft zu kämpfen hat: Neben den Lockdown-Maßnahmen und den gestörten Lieferketten hat auch die Kauflaune der Konsumenten spürbar nachgelassen. Zudem herrscht große Sorge am Immobilienmarkt, der sich ebenfalls negativ auf die Stimmung auswirkt.
Standort China für europäische Firmen immer unattraktiver
Wie stark vor allem die staatliche Ideologie in China im Vordergrund steht, wird aus Berichten deutscher Wirtschaftsvertreter deutlich. Nach Einschätzungen der Europäischen Handelskammer etwa ist die Zentralregierung durchaus bereit, ihre Machtfülle auf Kosten der Konjunkturerholung zu vertiefen.
Insgesamt ist zu beobachten, dass China als Handelspartner für europäische Firmen zunehmend unattraktiver wird. Gerade erst hat der Autokonzern Stellantis seine Pläne kassiert, die deutsche Tochtermarke Opel als reinen Elektrofahrzeuganbieter auf dem chinesischen Markt zu platzieren. Die Lockdown-Risiken und Lieferkettenprobleme haben bereits in den vergangenen Monaten viele Firmen dazu veranlasst, Investitionen in andere Regionen wie etwa Indien zu verlagern.