Analyse: Dünger-Desaster? Diese Aktie ist mittendrin!
Schauen Sie sich einmal diesen Chart an (Stand: 04.08.2023):
Quelle: Green Markets, FertilizerPricing.com © Bloomberg L.P (https://fertilizerpricing.com/priceindex/)
Dabei handelt es sich um den sogenannten Green Markets Weekly North America Fertilizer Price Index – also einen Index, der die nordamerikanischen Düngerpreise abbildet.
Dünger-Rallye durch Ukraine-Krieg
Auf der rechten Seite deutlich zu sehen ist der enorme Preisaufschwung in den Jahren 2021 und 2022. Vor allem der Beginn der russischen Invasion in der Ukraine Anfang 2022 hat die Düngemittelpreise massiv angeheizt.
Der Grund: Am Markt hatte es Befürchtungen gegeben, dass der Krieg in Osteuropa die Produktion und den Handel mit Agrargütern enorm einschränken könnte. Dadurch stiegen die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Prinzip rund um den Globus. Angetrieben durch die Aussicht auf höheren Profit haben viele Landwirte daraufhin ihre Kapazitäten erhöht, was die Nachfrage nach Düngemitteln und deren Preise beflügelte. Zusätzlich hatten die hohen Marktpreise für Erdgas, einen wichtigen Energierohstoff zur Herstellung von Düngemitteln, die Rallye befeuert.
Sonderkonjunktur vorbei: Nutrien mit Gewinneinbruch
Doch relativ schnell nach dieser Rallye hat sich der Markt beruhigt und die Preise sind ab dem zweiten Halbjahr 2022 wieder gefallen, wie Sie im Chart sehen können.
Betroffen davon ist unter anderem der kanadische Konzern Nutrien. Das Bergbauunternehmen gilt als weltweit größter Produzent von Kalidüngern und zweitgrößter Anbieter von Stickstoffdüngern. Entsprechend hatte die Preisrallye im ersten Halbjahr 2022 dem Konzern Rekordgewinne eingebracht.
In den sechs Monaten bis Ende Juni 2022 hatte Nutrien einen Nettogewinn von knapp 5 Milliarden US-Dollar (+300 %) generiert – bei einem Umsatz von rund 22 Milliarden Dollar (+54 %).
Die Sonderkonjunktur ist aber wie erwähnt relativ schnell zu Ende gegangenen damit auch der Gewinnrausch bei Nutrien. Vor wenigen Tagen hat der Konzern nun neue Zahlen veröffentlicht, die die Abkühlung deutlich machen.
Demnach hat Nutrien im ersten Halbjahr 2023 einen Nettogewinn von nur noch rund 1,0 Milliarden Dollar erzielt. Das entspricht einem Rückgang von knapp 80 Prozent gegenüber dem außerordentlich starken Vorjahreszeitraum. Im zweiten Quartal belief sich der Überschuss indes auf 448 Millionen Dollar (-88 %). Der Umsatz sank in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um 20 Prozent auf 17,76 Milliarden Dollar.
Prognose eingedampft – auch wegen Exportproblemen
Die Analysten hatten Nutrien für das zweite Quartal übrigens einen etwas höheren Gewinn zugetraut, weshalb die Aktie auf die Veröffentlichung des Zahlenwerks am 2. August negativ reagierte. Ebenfalls bitter: Der Düngemittelgigant musste seine Prognose eindampfen. Demnach dürfte sich der bereinigte Nettogewinn im Gesamtjahr 2023 nun zwischen 3,85 bis 5,60 Dollar pro Aktie einpendeln. Zuvor hatte das Management hier noch 5,5 bis 7,5 Dollar angepeilt.
Neben den schwächeren Düngemittelpreisen räumte Nutrien auch Exportprobleme ein. Im Hafen von Vancouver hatte es im Juli einen umfangreichen Streik gegeben. Zudem gab es offenbar technische Probleme an einem Terminal am Hafen der US-Stadt Portland. Dadurch konnte Nutrien bzw. die Vertriebsgesellschaft Canpotex, an der auch der US-Konkurrent Mosaic Anteile hält, zuletzt nicht so viel Kalisalz exportieren wie üblich. Und: Das Terminal in Portland soll erst Ende 2023 wieder betriebsbereit sein. Bedingt durch die Exportprobleme erhöhen sich nun die Lagerbestände der Kanadier.
Kein Wunder also, dass Nutrien jetzt operativ reagiert. So will der Konzern nach eigenen Angaben seine Hochlaufpläne für die Kaliproduktion vorübergehend auf Eis legen. Konkret geht es dabei um eine eigentlich geplante Ausweitung der Kapazitäten in der kanadischen Kali-Provinz Saskatchewan. Zudem sollen die Arbeiten an einem Ammoniakprojekt im US-Bundesstaat Louisiana gestoppt werden.
Immerhin: Nutrien-Boss Ken Seitz machte im Rahmen der Halbjahrespräsentation klar, dass der Konzern trotz rückläufiger Gewinne keine Vermögenswerte verkaufen wolle.
Nutrien-Aktie: mein Fazit für Sie
Ohne Frage: Der Gewinneinbruch ist spektakulär. Allerdings steht er im Vergleich zum üppigen Vorjahreszeitraum. Wenn Sie sich hingegen die Zahlen aus 2021 anschauen, merken Sie schnell, dass von einem Desaster nicht die Rede sein kann. In den ersten sechs Monaten des vorletzten Jahres hatte der Nettogewinn von Nutrien bei rund 1,2 Milliarden Dollar gelegen und damit nur 200 Millionen Dollar höher als im ersten Halbjahr 2023.
Nutrien ist also wieder auf Normalniveau angekommen. Dass der Konzern angesichts der Marktpreise und der Exportprobleme beim Ausbau seiner Kapazitäten nun auf die Bremse drückt, ist meiner Meinung nach ein ökonomisch sinnvoller Schritt.
Hinzu kommt, dass die Düngerpreise – wie Sie im Chart sehen können – immer noch höher notieren als Ende 2020. Und: In den letzten Tagen gab es wieder schmalere Aufwärtsbewegungen, auch bedingt durch die erneut steigenden Gaspreise.
Ebenfalls positiv: Nutrien ist nach wie vor solide finanziert, kauft Aktien zurück und schüttet Dividenden aus. Der nächste Stichtag für die vierteljährliche Nutrien-Dividende ist der 28. September. Die geplante Auszahlung liegt bei 0,53 US-Dollar pro Aktie. Das entspricht einer aufs Jahr hochgerechneten Dividendenrendite von etwa 3,1 Prozent (Kursstand: US-Schlusskurs vom 09.08.2023).
Wollen Sie in die Aktie investieren, sollten Sie definitiv deren langfristige Perspektive berücksichtigen. Die Nutzung von Düngemitteln in der Agrarwirtschaft ist unabdingbar, um Böden und Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen. Dünger sind deshalb eine wichtige Grundsäule zur Versorgung der Menschheit mit Lebensmitteln und somit ein Evergreen.
Nicht zuletzt erwarten Experten, dass die globalen Ernteflächen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch wegen der immer schwierigeren Witterungsverhältnisse zurückgehen werden. Die Landwirtschaft muss deshalb noch mehr Dünger einsetzen, um die Menschheit mit Nahrung zu versorgen.