EU-Staatsverschuldung: Euroeinführung als verpasste Chance zum Schuldenabbau

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Der Euro wird bis heute von seinem kontroversen Image nicht losgelassen. Wenige Menschen wissen, dass er vielen Ländern beim Schuldenabbau hätte helfen können.

Wer das Glück hat, in der aktuellen Phase der Niedrigzinsen seinen Immobilienkredit neu verhandeln zu müssen, der kann viel Geld sparen – mehr, als man vor zehn, 15 oder 20 Jahren geplant hat. Der Überschuss kann für eine Reise oder ein Auto ausgegeben werden. Eines hat die Vergangenheit gezeigt: Geld sollte immer sinnvoll investiert werden – und zwar in den schnellen Schuldenabbau.

Nicht nur Verbraucher stehen vor der Frage, ob sie konsumieren oder ihre Schulden abbauen sollen, sondern auch Länder beziehungsweise die verantwortlichen Finanzminister und Regierungschefs. Diesen haben in der Vergangenheit Zinsvorteile nicht zu ihrem Vorteil genutzt, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt.

Die aktuelle Staatsverschuldung der EU

Wie problematisch ist die gesamte Verschuldung der Europäischen Union sowie der Schuldenberg jedes einzelnen Mitglieds? Die Schuldenuhr Europas vom smava-Kreditportal gibt einen anschaulichen Überblick.

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Es ist besorgniserregend, wie schnell die Schulden einiger Länder im Sekundentakt in die Höhe schnellen. Problematisch ist auch der Schuldenstand gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Nicht nur Griechenland steht einem großen Problem gegenüber, sondern auch Italien, Portugal, Zypern, Irland, Belgien, Spanien und Frankreich. Sie alle liegen über dem EU-Durchschnitt.

In der Grafik ist das Vereinigte Königreich abgebildet, jedoch wird das Land nach dem Brexit-Votum die EU verlassen.

Anhand der abgebildeten Grafik ist der Auslöser der Schulden in fast jedem Land erkennbar: Die Finanzkrise ab 2007. In fast allen Ländern vergrößerte sich der Schuldenstand ab 2007 oder in den Folgejahren.

Das verpasste Einsparpotenzial der Euro-Einführung

Bevor es zur Finanzkrise ab 2007 kam, hätten viele Länder ihre Schulden abbauen können, wie die Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald in einer Untersuchung[1] ermittelt hat. Doch kein Staat nutzte die Gelegenheit.

Professor Jan Körnert hat errechnet, dass Italien heute schuldenfrei gewesen wäre, wenn es 2005 das zur Verfügung stehende Geld in die Tilgung der Schulden investiert hätte (

N24 berichtet). Durch die verpasste Tilgung sind die Schulden Italiens in 11 Jahren um 800 Milliarden Euro auf insgesamt 2,25 Billionen Euro gestiegen.

Italien ist nicht das einzige Land, dass von einer Schuldentilgung im Jahr 2005 profitiert hätte. Portugal und Spanien wären nach 12,3 beziehungsweise 12,7 Jahren schuldenfrei gewesen. Selbst Deutschland hätte von dem Sparkurs profitieren können: 28,6 Jahre hätte der Schuldentilgungszeitraum der Bundesrepublik betragen.

Auch wenn die Rechnungen der Untersuchung vereinfacht sind und nicht alle Gesichtspunkte berücksichtigen, verdeutlichen sie ein Problem, mit dem jedes Land zu kämpfen hat: Regierungen planen in ihrer Haushaltspolitik kurzfristig – bis zur nächsten Wahl. Sie bedienen aktuelle Wünsche, ohne an die Zukunft zu denken.

Musterbeispiel Irland bekommt Verschuldung in den Griff

Irland gehörte zu den Problemkindern der EU, deren Schuldenstand von 2012 bis 2013 rund 120 Prozent des BIP ausmachte. Das Land wurde von der Finanzkrise besonders stark getroffen. 2007 lag der Schuldenstand noch bei 23,9 Prozent. In den Folgejahren schnellte es auf 42,4 Prozent (2008), dann 61,8 Prozent (2009) und erreichte 2012 mit 120,2 Prozent den Höhepunkt.

Anfang 2016 konnte die irische Statistikbehörde eine positive Botschaft mitteilen: Die 100-Prozent-Schwelle wurde unterschritten. Im dritten Quartal 2015 lag die Staatsverschuldung bei 99,4 Prozent des BIP.

Im Vergleich zu Griechenland gelang es Irland bis 2008, alle Kriterien des Euro-Stabilitätspaktes zu erfüllen. Problematisch war die hohe Verschuldung privater Haushalte: Die Ausgaben der Iren war 2007 fast doppelt so hoch wie ihre Einnahmen[2].

Durch die Subprime-Krise in den USA platze im selben Jahr die irische Immobilienblase. Die Regierung musste 25.000 öffentliche Dienststellen streichen und Staatsbeteiligungen in Höhe von zwei Milliarden Euro verkaufen. Aufgrund der aussichtslosen Lage war die EU gezwungen, Irland, wie auch Griechenland, zu retten. Eine Finanzspritze in Höhe von 85 Milliarden Euro bewahrte das Land im Jahr 2010 vor dem Bankrott.

EU-Sanktionen gegen Portugal und Spanien

Auch wenn zwei Sorgenkinder gerettet wurden, hat die EU das Wettrennen mit den Staatsverschuldungen noch lange nicht gewonnen. Die nächsten Kandidaten auf der Liste sind Spanien und Portugal.

CDU/CSU blickt kritisch auf die beiden Länder und fordert Sanktionen, wie auf lvz.de zu lesen ist. In der Vergangenheit hat die EU-Kommission Sanktionen gegen beide Staaten verschoben.

Nach den Sanktionsforderungen im Juli kam die Antwort wenige Wochen später: Auch dieses Mal bleiben die beiden Länder verschont, so der EU-Finanzminister in einer schriftlichen Mitteilung. Statt Sanktionen wurde mehr Zeit geschaffen, damit Spanien und Portugal unter die vereinbarte Haushaltsdefizitgrenze von drei Prozent rutschen können. 2015 lagen die Länder mit 5,1 Prozent (Spanien) und 4,4 Prozent (Portugal) weit darüber.


  1. Schuldenexplosion trotz Zinslastschwund – Partialanalysen zur Schuldenpolitik der Euroländer für den Zeitraum von 1995 bis 2015
  2. Der Schulden-Einkommens-Quotient betrugt 197 Prozent